Um in die Hauptstadt Lima zu gelangen buchten wir keinen teuren Touristenbus von Paracas aus, sondern folgten dem Weg der Einheimischen: per Taxi ging es in die 10 km entfernte Stadt Pisco (genau so ist auch eine in Südamerika sehr populäre Spirituose benannt) und nach einem Mittagessen mit einem Public Bus, der zwar an jedem Pfosten hielt, aber dafür nur etwa 5€ kostete, weiter nach Lima. Die Fahrt war sehr anstrengend und dauerte mit 5 Stunden doppelt so lang, wie der Touristenbus. Es war schon sehr dunkel, als wir in einem südlichen Teil der Metropole mitten auf einer Autobahn den Bus verließen, um von dort aus ein Taxi nach Westen in den Stadtteil Barranco zu nehmen. Dort angekommen, checkten wir in das Homestay "Casita Libertad" ein. Am selben Abend schlenderten wir noch zum Hauptplatz Barrancos (nur zwei Blöcke vom Hostel entfernt) und durch seine belebten Seitengassen. Auf dem Platz gab es an diesem Wochenende einen Streetfoodmarkt, der teilweise hervorragende, aber auch meist ziemlich ungesunde Gerichte anbot. Vom Zentrum Barrancos führte eine kurze Treppe hinunter zum Pazifischen Ozean.
Der Tourismus in Lima hat sich stark auf die beiden südlichen Stadtteile Miraflores und Barranco konzentriert. Diese sind kaum mit dem Rest Limas zu vergleichen: die Einwohner sind viel wohlhabender, die Geschäfte stark verwestlicht. Im dichter besiedelten und zentraleren Miraflores es gibt viele internationale Fastfood-Ketten, Shopping-Malls und moderne Business-Gebäude. Barranco ist eher vorstädtisch, mit beschaulichen und gut gepflegten Parks, vielen urigen Kneipen im Jugendstil sowie stark gesicherten Einfamilienhäusern reicher Familien. Für Peru ist gerade das Boheme-Viertel Barranco die Adresse für die gebildetsten und reichsten Bürger des Landes. Es ist deutlich sicherer als der Rest der Metropole, abends geben einige Straßenkünstler ihr Bestes von sich und es gibt sehr viele Ausgehmöglichkeiten. Alles in allem erinnern diese Stadtteile mehr an Europa, als an das übrige, ärmere Peru. Dementsprechend muss man jedoch auch zum Beispiel in den Restaurants tiefer in die Tasche greifen.
Auch unser Hostel passte gut in die Szenerie: mitten unter beschaulichen Einfamilienhäusern (alle umringt von Stacheldraht und Elektrozäunen) lag das moderne Homestay. Für erstaunlich wenig Geld (etwas mehr als 20€ für beide) gab es ein blitzblankes und ultramodernes Zimmer im mindestens 3-Sterne-Hotel-Stil als Teil einer familiären Wohnung mit riesiger, gut ausgestatteter Küche, welche die meisten Küchen zuhause klein und alt aussehen lässt... Auch das Bad war äußerst gut gepflegt und bot einen für Backpacker überdurchschnittlichen Luxus. All das erinnerte mich stark an den Couchsurfing-Aufenthalt damals in Bangkok.
Die restlichen Stadtteile Limas sind meist, wie erwartet, viel dreckiger, lauter und ärmer. Die Stadt platzt mit ihren inzwischen mehr als 10 Millionen Einwohnern (offiziell sind es nur 8 Millionen) aus allen Nähten. Sie hat nicht nur bekanntermaßen enorme Wasserprobleme (es ist die zweittrockenste Stadt der Welt nach Kairo), die Verkehrsprobleme scheinen alles zu übertreffen: in dieser Stadt, fast so groß wie London, besteht der gesamte öffentliche Nahverkehr fast ausschließlich aus Bussen! Es gibt zwar eine Buslinie (sie nennt sich hochtrabend "Metropolitano"), welche auf einer exklusiven Fahrspur fahren darf. Doch da sie die Stadt von Süd nach Nord durchfährt und damit die wichtigste Verkehrsader darstellt, ist sie zu fast jeder Zeit, natürlich insbesondere während des Berufsverkehrs, hoffnungslos überfüllt. Um sich gegen 7 Uhr abends in einen Bus quetschen zu können, muss man sich mindestens eine Stunde am Bussteig anstellen...
Am nächsten Tag wanderten wir von unserem Hostel aus über den Hauptplatz Barrancos, dann am Rand der hundert Meter hohen Kante zwischen Meer und der ersten Häuserreihe (alles Luxusappartments in Hochäusern) entlang nach Miraflores. Vorbei an zunächst weiteren Luxusappartments, Luxushotels und schließlich Shopping-Malls ging es bis zum Hauptplatz von Miraflores. Der Weg wurde erschwert durch einige polizeilich abgesperrte Viertel. In Lima war nämlich an exakt diesem Wochenende das große APEC-Gipfeltreffen (Treffen der Regierungschefs von Pazifikanrainerstaaten, u.a. mit US Präsident Barrack Obama, Russlands Präsident Vladimir Putin und Chinas Präsident, ich weiß nicht, wie der heißt, sowie Vorstände großer Unternehmen, u.a. mit Facebook-Gründer Marc Zuckerberg) und das ein oder andere Hotel in Miraflores schien als Herberge der VIPs zu dienen. Es fuhren auch US-Deligiertenfahrzeuge durch die Straßen. Im Zentrum von Miraflores besuchten wir noch eine kostenlose Ausstellung über zeitgenössische, experimentelle Videokunst, die ich sehr schön und inspirierend (teilweise auch erfrischend verstörend) fand. Zurück nach Barranco nahmen wir dann bei Anbruch der Dunkelheit ein Taxi.
Um endlich etwas von der eigentlichen Innenstadt Limas zu sehen, schlossen wir uns einer Free Tour an (auf Spendenbasis; das gleiche haben wir in Buenos Aires auch schon gemacht). Wir waren die einzigen beiden Touristen, die von einem der Guides vom Hauptplatz Barrancos abgeholt wurden, der Rest kam aus dem mit viel mehr Touristen bevölkerten Miraflores. Mit dem zuvor bereits erwähnten "Metropolitano"-Bus ging es ins innere Zentrum. Leider musste die Gruppe, inklusive der überraschten Guides, feststellen, dass der Zentrale Hauptplatz der Stadt mit dem Präsidentenpalast und der Kathedrale gesperrt war. Grund war immer noch indirekt das eigentlich schon an vorherigen Tag beendete APEC-Gipfeltreffen, da anlässlich dieses der Chinesische Präsident einen Termin mit dem Präsidenten und Parlament hatte. So improvisierte der Führer eine kleinere Tour um jenen Platz herum. Die beiden genannten Hauptsehenswürdigkeiten des Platzes waren immerhin vom weiten zu sehen. Wir besuchten zunächst eine Kirche, dann den für die Stadt lebenswichtigen Fluss Rimac (oder das dreckige Rinnsal, was davon noch übrig war, nachdem die Stadt fast sein gesamtes Wasser genutzt hatte). Die Tour endete schon früh an einem Kloster. Anschließend besuchten wir dieses noch. Es ist vor allem wegen seiner Katakomben interessant, - ein Kellersystem, in dem zehntausende Gebeine, vornehmlich Oberschenkel- und Oberarmknochen sowie Schädel in Gruben herumlagen. Die Menschen der Stadt hatten sich zu einer Zeit, in der es noch keine Friedhöfe gab, unter den Kirchen verscharren lassen. Nach diesem kleinen Ausflug aß ich erstaunlicherweise in einem äußerst günstigen, vegetarischen Restaurant für Einheimische! Danach besuchten wir noch das Parlamentsgebäude (vor diesem konnte man gerade die chinesische Delegation und eine Militärparade beobachten), den Hauptmarkt, China Town und schließlich, schon bei Dunkelheit, den Plaza San Martin. Hier wurden wir, wie auch schon zuvor in Miraflores, von peruanischen Studentinnen für ihren Englischunterricht auf Englisch interviewt - sehr leichte Fragen mit teilweise nicht so leichten Antworten. Mit dem "Metropolitano"-Bus fuhren wir schließlich eingequetscht unter Pendlern nach einer Stunde Anstehen zurück nach Barranco.
Schon um sechs Uhr morgens ging es schließlich mit dem Taxi zum ziemlich weit entfernten internationalen Flughafen im Nordwesten der Stadt. Dessen Terminal ist für die Größe und Relevanz der Metropole lächerlich klein (etwa so groß wie nur ein Terminal von insgesamt vier in Stuttgart).
Hier waren wir nun nach etwa 6 Wochen am Ziel unserer Südamerika-Durchquerung. Von Buenos Aires am Atlantik ging es durch vier Länder - das nördliche Argentinien und Chile sowie das westliche Bolivien und Peru - bis in diese Küstenstadt des Pazifiks. Wir kamen durch den Regenwald und die Pampa, lange über die Wüsten und Steppen der Anden-Hochebene, vorbei an Seen, Salzebenen, Sechstausendern und Vulkanen sowie an einigen der wichtigsten Kulturerbe der Menschheit. Alles in allem war es zwar nicht immer leicht, vor allem mit der Kommunikation auf Spanisch und dem vegetarischen Essen. Doch die atemberaubenden und extrem interessanten Landschaften und Kulturen dieser Länder werde ich niemals vergessen.
Noch ist unsere Reise nicht fertig. Nachdem wir unsere letzten Soles für Essen ausgegeben hatten, ging es in das Flugzeug nach San José in Costa Rica - für mich ein schöner, zweiwöchiger Zwischenstopp in den Tropen und an pazifischen und karibischen Stränden, bevor es weiter über den Pazifik für 6 Wochen nach Asien geht....